Das gestalterische Team hinter Das ist Ballett!
Eine Hommage an eine der wohl schönsten Kunstformen der Welt ist unser im November 2021 erschienenes Buch “Das ist Ballett!”. Autorin Dorothee Gelhard beantwortet darin 50 Fragen rund um die Magie und Poesie des Balletts: Von “Was ist Ballett?” über “Wie kann Tanz aufgezeichnet werden?” und “Warum gibt es so häufig Vögel im Ballett?” bis hin zu “Ist das Ballett heute noch zeitgemäß?” kann dieser Band sowohl Ballettexpert:innen als auch Neulinge begeistern. Abgerundet wird er durch atemberaubende Zeichnungen der Illustratorin Camille Deschiens und der gestalterischen Raffinesse des Grafikteams des Bureau Est, das bereits den prämierten Band “Das ist das Bauhaus!” gestaltet hat.
Wir interessieren uns für die Zusammenarbeit hinter den Kulissen eines so schönen Buches und haben deswegen Camille Deschiens und Ondine Pannet (Bureau Est) eingeladen, uns ebenfalls ein paar Fragen zu beantworten:
Möchtet ihr euch kurz vorstellen?
Camille: Ich bin Camille Deschiens, eine 27 Jahre alte Illustratorin aus Nantes, wo ich auch aufgewachsen bin. Ich zeichne häufig für die Presse, am liebsten mit Buntstiften. Meine persönlichen Arbeiten behandeln vor allem Paare und Intimität.
Ondine: Ich heiße Ondine Pannet. Ich lebe in Paris, arbeite als Grafikdesignerin und bin Teil des Grafikdesign-Kollektivs Bureau Est Leipzig/Paris. Ich habe an der Hochschule für Design (ESAD) in Amiens und an der HGB Leipzig studiert und neun Jahre in Leipzig gewohnt. Vor kurzem bin ich nach Frankreich zurückgekehrt. Nach meinen Abschluss 2014 habe ich angefangen, mit David Voss zusammenzuarbeiten und nach mehreren Jahren der Kollaboration und tollen Projekten haben wir 2020 zusammen mit Lisa Petersen, Marie Schuster und Sebastian A. Schmitt das Kollektiv Bureau Est gegründet. Wir arbeiten vor allem mit Institutionen im Kulturbereich und konzipieren Bücher, Magazine und Poster in Deutschland und europaweit. Mit den Seemann Henschel Verlagen arbeiten wir seit 2017 zusammen und haben seitdem tolle Bücher gemeinsam konzipiert.
Beschreibe deinen Stil in 3 Worten.
Camille: Ich würde meinen Stil als farbenfroh, strukturiert und weich beschreiben, vor allem wegen der Werkzeuge, die ich verwende.
Ondine: Ausdrucksstark, präzise und modern.
Camille, „Das ist Ballett!“ ist dein erstes Buchprojekt. Wie war es, als Annika und Sabine aus dem Verlag auf dich zukamen? Worauf hast du dich besonders gefreut, was hast du als Herausforderung gesehen?
Als Annika und Sabine mir von dem Projekt erzählten, war ich sofort begeistert von der Idee, zum ersten Mal an einem Buch zu arbeiten. Außerdem hat mich das Thema Tanz motiviert, das auf mich wie eine großartige Herausforderung wirkte, um meinen eigenen Weg zu finden, wie sich Körper, Anmut und präzise Gesten im Ballett darstellen lassen. Annika und Sabine schickten mir dann das Buch „Das ist das Bauhaus“, womit ich ihre Vision von einem Kunstbuch entdecken konnte. Ich habe mich sehr geschmeichelt gefühlt, in so einem Team arbeiten zu können, und ich hatte vom ersten Treffen an das Gefühl, in das Projekt einbezogen zu sein.
Camille, was verbindet dich mit Ballett? Wie verlief deine Recherche zu dem Buch?
Als ich jünger war, war ich ein paar Mal in der Oper, aber ich war weit davon entfernt, eine Expertin für Ballett zu sein. Während des Projekts, mit der Arbeit von Dorothee Gelhard und der großen Hilfe von Annika und Sabine bei der Übersetzung und Zusammenfassung des Textes, konnte ich viel Neues entdeckt. Ich habe mir viele Ballettausschnitte angesehen und mich in die Arbeit von Nijinsky und Béjart verliebt. Ich habe auch mit Videos von zeitgenössischen Tänzern wie Hugo Marchand und Dorothee Gilbert gearbeitet, die an der Pariser Oper wirken. Ich brauchte die Atmosphäre der Meisterwerke, ich musste den historischen Kontext einiger Stücke spüren, aber ich musste auch verstehen, wie sich das Ballett entwickelt hat und wie es heute funktioniert.
Ondine, du hast als Gestalterin dem Buch seine letztendliche Erscheinung verliehen und damit alle begeistert! Wie sah dein Arbeitsprozess an dem Buch aus? Gab es besondere Herausforderungen oder Freuden?
Die Idee bei “Das ist Ballett!” war es, einen spannenden Leserhythmus herzustellen, sodass die Leserinnen und Leser nach 10 Fragen nicht gelangweilt sind und auch noch Lust haben, die weiteren Kapitel zu lesen. Uns war wichtig, dass es keine Leserichtung gibt, man kann mit Frage 12 oder Frage 45 anfangen. Die 50 Zahlen sind die einzige Orientierung im Buch, da wir auf Seitenzahlen verzichten. Die Zeichnungen von Camille sollten mit diesen Zahlen kombiniert werden, um spannende und einzigartige Auftaktseiten zu kreieren. Das erforderte eine stetige Kommunikation, um gemeinsame Entscheidungen zu finden. Da Camille analog arbeitet, waren die Korrekturmöglichkeiten nur sehr eingeschränkt und wir mussten vor der Finalisierung der Bilder schon alle Details geklärt haben. Mit Camille haben wir vor allem am Anfang sehr eng zusammengearbeitet und uns viel über ihre Ideen und Lösungen ausgetauscht. Es war schön, verfolgen zu können, wie sie die einzelnen Kapitel bildnerisch übersetzte und wie sich die ganze Reihe an Illustrationen entwickelte. Die Dramaturgie des Buches haben wir mit Schwarzweißskizzen aufgebaut und die lektorierten Texte gesetzt, während Camille die Zeichnungen finalisiert hat.
Die große Herausforderung war die Arbeit mit den Farben und die Frage der Reproduzierbarkeit der breiten Farbpalette von Camille im Druck. Wir hatten den Anspruch, den Buntstift-Duktus aller Zeichnungen so genau wie möglich zu reproduzieren, ohne die Feinheit und die schönen Details zu verlieren, und dabei in einem homogenen Farbspektrum zu bleiben.
Eine besondere Freude war es, den rosa Farbschnitt drucken zu können.
Ondine, du hast bereits „Das ist das Bauhaus!“ gestaltet, an dessen Form und Aufbau „Das ist Ballett!“ anknüpft. Was war das Besondere an der Arbeit an dem neuen Buch?
Für dieses Buch waren wir seit Beginn des Projektes in den Prozess involviert. Als Annika uns im Sommer 2020 gefragt hat, ob wir Interesse an der Gestaltung des Buches haben, war uns klar, dass wir nicht nur das Buch gestalten wollten, sondern dass uns auch die Mitentscheidung bei der Auswahl des Materials, der Ausstattung und vor allem der Illustrator:in wichtig war. Wir haben nach Illustrator:innen recherchiert und Annika und Sabine dann ein paar Vorschläge gemacht. Camille war ganz oben auf unserer Liste und es war eine Freude, mit ihren Zeichnungen arbeiten zu dürfen. Natürlich bestand immer die Herausforderung, sich vom Bauhaus-Buch zu distanzieren. Aber letztendlich war es auch eine tolle Aufgabe, das Buchkonzept mit einem neuen Thema zu vertiefen und neu zu denken.
Camille, du wohnst in Nantes, Ondine du in Paris und wir sitzen in Leipzig. Wie verlief für euch die Kommunikation und Zusammenarbeit über so viele Kilometer verteilt?
Camille: Die Kommunikation zwischen Nantes-Paris und Leipzig war eigentlich recht effizient. Ich denke, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt, vor allem im letzten Monat der Arbeit, alle sehr reaktiv per Mail oder mit Ondine per Telefon in Kontakt waren. Annika und Sabine haben mir wirklich geholfen, wenn ich mit einer Frage nicht weiterkam, ich habe sogar einen schönen Entwurf von Annika erhalten, den ich im Hinterkopf behalte. Ich wurde auch von Ondine sehr gut unterstützt. Die Arbeit, die wir zusammen gemacht haben, war sehr flüssig und natürlich, sie gab mir tolle grafische Ideen. Sie hatte eine echte Vision des Buches als ein interessantes Kunstobjekt. All diese Diskussionen waren wirklich inspirierend!
Ondine: Camille und ich haben während der ganzen Konzeptionsphase viel telefoniert, um unsere Ideen auszutauschen. Regelmäßig hatten wir auch größere Zoom-Meetings wegen der Konzeptabstimmung, Produktion etc. Da wir es mittlerweile gewöhnt sind, auf Distanz zu arbeiten, waren wir dafür sehr gut organisiert. Wir haben es sogar geschafft, die Proofs (fast) gleichzeitig an 5 verschiedene Orte zu bekommen!
Was war euer Lieblingsfrage-Antworten-Paar?
Camille: Ich habe viele Lieblingspaare: Ich mag die Kapitel 28 und 39, weil die Zeichnungen wirklich voll und dicht sind, aber Ondine hat einen Weg gefunden, sie mit der Zahl in Einklang zu bringen. Und ich finde, es funktioniert gut! Ich mag auch die drei einsamen und etwas seltsamen Figuren im Kapitel 22 über das absurde Theater im Ballett. Und es war nicht meine Lieblingszeichnung, aber ich finde, dass sie mit der Zahl drum herum noch besser funktioniert: das Kapitel 5 über die antike Mythologie und Ballett.
Ondine: Die Frage 21 mit der wunderschönen Illustration des Fauns ist mein Favorit – und Frage 5 über den Einfluss der antiken Mythologie.
Bildnachweis: Alle Illustrationen und Fotos stammen von Camille Deschiens und Ondine Pannet.